Eroberung
der Finsternis
Teil 2: Der Visionär: Jules Vernes
FILMMUSIK "Reise zum Mittelpunkt der
Erde"
(Zitat aus: Jules Verne,
Reise zum Mittelpunkt der Erde)
Schliesslich am Mittwoch, dem 15. ...1863 waren wir 7 Meilen
unter der Erde und etwas 50 Meilen von dem erloschenen Vulkankrater entfernt,
in dem wir den Abstieg begonnen hatten. Wenn wir auch ziemlich müde
waren, es ging uns nicht schlecht, und die Reiseapotheke war noch nicht
angerührt worden.
Mein Onkel notierte Stunde um Stunde, was Kompass, Chronometer, Manometer
und Thermometer anzeigten. Als er mir sagte, wir seien horizontal 50 Meilen
von unserem Ausgangspunkt entfernt, konnte ich einen Ausruf des Staunens
nicht unterdrücken.
"Was ist mit Dir?" fragte er.
"Nichts. Mir ging da nur etwas durch den Kopf"
"Was, mein Junge?"
"Daß, wenn Deine Berechnungen stimmen, wir uns nicht mehr
unter Island befinden."
"Glaubst Du?"
"Wir können uns leicht davon überzeugen".
Ich maß mit dem Zirkel auf der Karte.
"Ich habe mich nicht getäuscht" sagte ich.
"Wir sind über Kap Portland hinaus und jetzt unter dem Meer".
"Unter dem Meer", antwortete mein Onkel, sich die Hände reibend.
Mit seinem Roman
"Reise zum Mittelpunkt der Erde" landete 1872 der französische
Romanschriftsteller Jules Verne einmal mehr einen Bestseller. Die
Fangemeinde des Autors war fantastische Geschichten aus seiner Feder gewöhnt
und liess sich gern von ihm in Urwälder und hinter den Mond, in die
Tiefsee und in die Lüfte entführen und so folgte man den
Helden des Romans auch gern in die Unterwelt.
Die Reise beginnt in einem erloschenen Vulkan auf Island. Mit seinem
Neffen und einem Assistenten steigt Professor Lidenbrock aus Hamburg
in die Tiefe, um als erster Mensch den Mittelpunkt der Erde zu erreichen.
Dabei bestehen sie zahlreiche Abenteuer, entdecken einen unterirdischen
Ozean, in dem es von Sauriern und Seeungeheuern wimmelt, und werden
schliesslich durch einen Ausbruch des Stromboli wieder an die Erdoberfläche
zurückbefördert.
"An dem Punkt, wo wir uns befinden, unter dem Breitengrad Islands,
ist der Erdradius also zirka fünfzehhundertdreiungdachtzig Meilen?"
"Fünzehnhundertdreiundachtzig ein Drittel Meilen."
"Sagen wir also rund sechzehnhundert Meilen."
"Und davon haben wir zwölfhundert zurückgelegt?"
"Ja"
"Und das um den Preis von fünfundachtzig Meilen in der Diagonale?"
"Richtig."
"In etwa 20 Tagen?"
"In zwanzig Tagen."
"Nun sind aber sechzehn Meilen der hundertste Teil des Erdradius.
Wenn wir so weitermachen, werden wir also noch zweitausend Tage oder fast
fünfeinhalb Jahre brauchen, um zum Mittelpunkt der Erde zu kommen."
Der Professor gab keine Antwort.
Wie in allen seinen Büchern kombiniert Jules Vernes auch in der
"Reise zum Mittelpunkt der Erde" das gesicherte naturwissenschaftliche
Wissen seiner Zeit mit üppig blühender Fantasie.
Daß es unter der Erde natürliche Hohlräume gab, die
weit in die Berge hineinreichten, war allgemein bekannt. Einige Mutige
- so wurde berichtet - hätten sich sogar schon hineingewagt - etwa
um Mineralien abzubauen. Doch kaum jemand hatten die Welt der Höhlen
schon mit eigenen Augen gesehen. Selbst für den gebildeten Bürger
des 19. Jahrhunderts waren Höhlen geheimnisvolle Orte, in denen
alles mögliche vermutet werden durfte - von versteckten Schätzen
bis zu Drachen und anderen Ungeheuern.
Jules Vernes fantastischer Roman war bestens geeignet, die die
Leser für einige Stunden in andere Welt zu versetzen.
Wir waren tatsächlich in einer riesigen Höhle gefangen.
Wie breit sie war, ließ sich nicht beurteilen, weil das Ufer sich
im unendlichen verlor, und auch ihre Länge nicht, denn der Blick stieß
bald auf die leicht verschwommene Linie des Horizonts. Ihre Höhe überstieg
gewiß mehrere Meilen. Wo dieses Gewölbe sich auf seine
granitenen Strebepfeiler stützte, konnte man nicht sehen. Aber es
hingen Wolken in der Atmosphäre, deren Höhe auf 2000 Klafter
geschätzt werden konnte, eine Höhe, welche die der Erddämpfe
übertraf und zweifellos der beträchtlichen Luftdichte zu verdanken
war. Das Wort "Höhle" ist übrigens eine ungenügende Bezeichnung
dieses Riesenraums, aber für den, der sich in die Abgründe der
Erde hinunterwagt, genügen die Worte der menschlichen Sprache nicht
mehr.
FILMMUSIK
Wissenschaftlich ist vieles in der "Reise zum Mittelpunkt der Erde"
Humbug. Doch Jules Vernes Roman faszinierte das Publikum. Jugendliche Leser
träumten davon, wie Prof. Lidenbrock im Untergrund auf Forschungsreise
zu gehen. In Regionen, die irgendwie noch viel aufregender sein mussten
als afrikanische Urwälder oder Inseln in der Südsee.
Auf besonders fruchtbaren Boden fiel der Roman bei dem Pariser Advokatensohn
Eduard Alfred Martel. Als Schüler verschlang er das Buch - zusammen
mit allen Standardwerken über Geographie und Geologie. Noch nicht
ahnend, daß er später als Erwachsener der berühmteste Höhlenforscher
seiner Zeit werden und als Vater der Höhlenforschung in die
Geschichte eingehen würde.
|