Eroberung
der Finsternis
Teil 3: Der Vater der Höhlenforschung,
E.A.Martel
Fünf Gestalten, gekleidet in rote oder blaue Overalls: Auf den
Köpfen tragen sie Bergsteigerhelme, an denen, wie bei Bergleuten,
Karbid- oder Batterielampen befestigt sind. Sie haben Arbeitshandschuhe
an und Gummistiefel, die vom Wasser umspült werden.
Auf einem großen Felsblock in dem fast 20 Meter hohen und ebenso
breiten Höhlenportal hat Daniel André einen fast 2 Meter langen
Plan ausgebreitet. Ein Gewirr von Linien, Schattierungen und Schraffuren
- in dem er seinen Gefährten sie vor ihnen liegende Route erklärt.
Vor den "Spéléos", wie die Höhlenforscher hier in
Südfrankreich genannt werden, liegt eine abenteuerliche Klettertour
durch den Untergrund der Cevennen. Ein Klassiker der Höhlenforschung:
die Unterquerung des Plateaus von Camprieu entlang des unterirdischen Flußlaufs
von Bramabiau, über Seen und Wasserfälle hinweg.
Der kleine Fluß am Fuß des Mont Aigoual hat im Laufe von
hunderttausenden von Jahren ein ganzes Labyrinth von Höhlengängen
aus demGestein genagt. 13 Kilometer Gänge sind inzwischen erforscht.
Den Wasserfall, an dem der Fluss wieder zu Tage tritt, nannten die Bauern
in diesem abgelegen Bergtal "Bramabiau" - brüllender Stier . Im Frühjahr,
nach der Schneeschmelze, füllt ohrenbetäubender Lärm des
hinabstürzenden Wassers den Talgrund, dann macht Bramabiau seinem
Namen alle Ehre.
O-Ton Daniel
Bis 1888, so weiß Daniel zu berichten, endeten die Besuche der
Einheimischen schon wenige Meter hinter dem Eingang. Die Bauern hatte eine
geradezu panische Angst vor dem Höhlenschlund, der sich vor Ihnen
auftat und in dem schäumend ein ganzer Fluß verschwand. Legenden
und Aberglauben rankten sich um die Höhle, die als Eingang zur Hölle
galt.
Als am 27. Juni 1888 der 29-jährige Rechtsanwalt Eduard Alfred
Martel in Camprieu erschien, um das Geheimnis zu lüften, hielten ihn
alle Dorfbewohner schlicht für verrückt.
Doch Martel hatte sich die Sache in den Kopf gesetzt und ließ
sich nicht davon abbringen. Unterstützt von einigen Helfern
und Freunden gelang ihm in einem zweitägigen dramatischen Unternehmen
die erste Durchquerung eines Höhlensystems..
Über große
Blöcke, zwischen denen Wasser schäumt und gurgelt, führt
der Weg hinab in die Tiefe. Die letzten Schimmer des Tageslichts
bleiben zurück. Tiefe Wasserbecken versperren den Weg, doch an den
senkrechten Höhlenwänden gibt es einige Vorsprünge und Felsbänder
als Tritte. Weit verspreizt, ein Fuß an der rechten, der andere an
der linken Felswand, klettern die Höhlenforscher vorwärts. Unter
ihnen tost der Fluß, stürzt über Kaskaden, mehrere Meter
tief. Wer hier ausrutscht ist in Lebensgefahr, denn in den tiefen Strudellöchern
unter den Waserfällen ist ein Auftauchen eher Glückssache. Jeder
Griff, jeder Tritt muß sitzen, auf nassen vom Wasser glattgeschliffenen
Felsplatten.
Für die heutigen Höhlenforscher, mit guter Beleuchtung, wasserdichten
Overalls und guten Schuhen, ist die Durchquerung kein besonders schwieriges
Unternehmen, meint Daniel. Eine Sache von einer halben Stunde, bei Hochwasser
höchstens 3 Stunden.
Doch damals war das ganz anders. Die Vorgänger hatten nur Kerzen,
die jeder Luftzug ausblasen konnte. Einige von Martels Helfern kletterten
mit Holzschuhen.
Und eins müssen wir uns heute ja vorstellen: Sie wußten nicht,
was sie erwartet: Ein 50 Meter tiefer Wasserfall vielleicht, ein riesiger
See oder wilde Strudel?
Um ihren Erfolg aktenkundig zu machen zogen die ersten Forscher direkt
von der Höhle zum Rathaus und gaben ihr Unternehmen zu Protokoll.
Das Dokument, von Martel und 6 Teilnehmern unterschrieben, gilt als Geburtsurkunde
der Höhlenforschung in Frankreich.
Atmo Höhle
Für Martel war die Durchquerung von Bramabiau der Auftakt zu einer
der erstaunlichsten Forscherkarrieren im Frankreich der Jahrhundertwende.
Doch dieses Kapitel der Wissenschaftsgeschichte geriet schon zu seinen
Lebzeiten wieder in Vergessenheit. Heute können nur noch wenige Spezialisten
mit dem Namen Martel etwas anfangen.
Atmo Gorges du Tarn
Was die Loreley für den Rhein ist der Point Sublime für
die Gorges du Tarn im Süden Frankreichs. Der Aussichtspunkt ist ein
absolutes Muss für hunderttausende von Touristen, die es Jahr für
Jahr in diese wilde ursprüngliche Landschaft zieht. Tief unten in
der Schlucht schlängelt sich grün der Tarn. Auf die Entfernung
kaum mit blossen Auge zu erkennen die Kajaks und Schlauchboote auf dem
Flusslauf und die endlose Karawane von Autos und Wohnmobilen auf der Strasse
daneben.
Zu beiden Seiten des Flusses steigen die Ufer steil an, unten üppig
grün bewachsen, dann in senkrechte Felswände übergehend,
ein Eldorado für Kletterer, Wanderer und Naturliebhaber.
Die Region im Departement Lozere ist heute eine der touristischen
Hochburgen im Süden Frankreichs. Vor gut 100 Jahren, als der Pariser
Urlauber Edouard Alfred Martel in der Schlucht des Tarn zum ersten
Mal sein Faltboot Made in USA zu Wasser ließ, erregte er damit noch
beträchtliches Aufsehen.
Tourismus war in der Gegend unbekannt, nur wenige Eingeweihte fanden
den langen und beschwerlichen Weg in die Schluchten, in die kaum Strassen
führten. Für Martel, den diese Landschaft sofort in ihren Bann
schlug, völlig unverständlich:
MARTEL-ZITAT
"Das Land, das die Franzosen am wenigsten besuchen,ist Frankreich
selbst Mitten in Frankreich, im Herzen der Cevennen, werden bis heute den
Reisenden Orte vorenthalten, die zu den großen Naturwundern der Erde
zählen.
Dort sind die Täler ebenso tief wie breit. Ihre Felswände
ragen 500 Meter senkrecht in die Höhe. Die Felsen sind purpur und
die Bäche glasklar. Und die Wälder sind nicht aus Bäumen
sondern aus Stein. Wälder aus natürlichen Obelisken, die antike
Sintfluten aus den Felsen gemeißelt haben.
Dabei ist all das, was jeder ohne Mühe unter der leuchtenden
Sonne des Midi bewundern kann, nicht einmal das Wichtigste dieses Landstrichs.
Das Eigentliche ruht in den Tiefen derErde, weit weg vom blauen Himmel.
Dort sind Naturwunder verborgen, von denen erst ein kleiner Teil zu ahnen
ist: kilometerlange Höhlen mit gewaltigen Tropfsteinen. Unterirdische
Flüße und Seen in einem glitzernden Bett aus Kristall. Eine
schwarze verborgene Welt, die sich im Schein des Magnesiumlichts in einen
Feenpalast verwandelt. Eine fantastische Szenerie, die nur darauf wartet,
entdeckt zu werden."
Atmo Dargilan / Tropfenfall
Und Martel und seine Freunde entdeckten diese unterirdischen Schätze.
Schon einen Tag nach der Erkundung von Bramabiau stießen sie in der
kurz zuvor entdeckten Höhle von Dargilan auf neue, unbekannte Gänge.
Voller glitzernder, bizarrer Tropfsteinfiguren.
Und sie sorgten dafür, daß auch andere an ihren Entdeckungen
teilhaben konnten. Bereits 1890 wurde Dargilan für den Tourismus
erschlossen - als eine der ersten Höhlen in Frankreich.
Atmo Causses
Ebenso beeindruckend wie die Höhlen fanden die frühen Touristen
aus dem fernen Paris die Landschaft, die sie nach und nach erkundeten.
Vor allem die kahlen Hochflächen der Causses. Unwegsame Kalkplateaus,
auf denen einige Bauern mühsam versuchten, dem kargen Boden bescheidene
Erträge abzutrotzen. Kaum ein Reisender hatte bis dahin diese Region
eines Besuchs gewürdigt. Martel beschloss, diese Landschaft bekannt
zu machen.
MARTEL-ZITAT
"Ist es nicht eine friedliche und nützliche Art von Patriotismus,
wenn man die eigene Heimat nach Orten absucht, die die Masse der Besucher
zu unrecht links liegen läßt? Muß man nicht Reklame machen
zugunsten unsere Landsleute, die mit all den Naturschönheiten eine
Quelle des Glücks in den Händen halten ohne davon Gebrauch zu
machen? Die Schweizer sind so mit ihren wunderbaren gewaltigen Bergen verfahren
und haben so Wohlstand und Fortschritt bis in die abgelegensten Täler
gebracht. So müßte es auch mit dem Departement Lozère
geschehen."
Was Martel besonders faszinierte waren die unzähligen Schächte,
die sich in den Steinwüsten der Causses auftaten und die von den Bauern
"Avens" genannt wurden. Die Bauern hatten mächtigen Respekt
vor diesen bedrohlichen Abgründen, die in unbekannte Tiefen führten
und in denen gelegentlich Schafe und Ziegen verschwanden - und manchmal
auch Menschen. Niemand wäre es auch nur im Traum eingefallen, dort
hinabzusteigen.
Doch genau das
reizte Martel. Was fehlte, was eine geeignete Ausrüstung. Martel
dachte nach - und entwickelte seine eigene Methode zur Erforschung des
Untergrunds. Er setzte auf das High-Tech seiner Zeit: von starken Männern
mit Seilen gesichert stieg er, auf einem Stock sitzend, an einer Strickleiter
in die Tiefe. Eine Telefonleitung übertrug seine Kommandos an die
Helfer an der Oberfläche. Meistens Leute, die im nächsten Dorf
angeworben worden waren.
Wenn die Telefonleitung ausfiel, und das passierte natürlich
immer wieder, übermittelten Trillerpfeifen und Signalhörner die
Kommandos.
Die Methode funktionierte bestens. Martels Mannschaft eroberte reihenweise
Schächte, die damals als absolut unbezwingbar galten. Schächte
von 100 Metern Tiefe und mehr. Von 1888 an organisierte Martel jährliche
Forschungskampagnen in alle damals bekannten Höhlengebiete Frankreichs.
Martel und seine
Helfer fühlten sich nicht als Abenteurer, sondern als Geographen.
Als Naturwissenschaftler, die daran gingen, einen neuen unbekannten Kontinent
unter der Erde zu entdecken - so wie es Jules Vernes in seinen phantastischen
Romanen beschrieben hatte. Dramatische, gefährliche Situationen hatten
sie dabei zu bestehen, durchaus vergleichbar mit den Erlebnissen der Forschungsreisenden
im fernen Afrika oder im ewigen Eis.
Bei seinen Unternehmen war Martel auf Helfer angewiesen, allen voran
Louis Armand. Der Dorfschmied aus Le Rozier wurde rasch zum unentbehrlichen
Vorarbeiter. Der geschickte Handwerker sorgte für einen reibungslosen
Ablauf, organisierte die Arbeit der Helfer und war oft der erste, der in
die Tiefe hinabstieg.
Für den Pariser Großbürger Martel war der Dorfschmied
Armand bald mehr als ein Angestellter. Über soziale Gegensätze
hinweg entstand eine jahrzehntelange Freundschaft.
Atmo Causses
In den abgelegenen Gebieten, die Martels Truppe auf der Suche nach Höhlen
durchstreifte, waren die Forscher Gesprächsthema Nummer Eins. Diese
eigenartige Gesellschaft, die mit Tonnen von Gepäck auf die Berge
stieg. Verwundert fragten sich die Bauern, ob es sich da vielleicht um
einen Zirkus handele. Die Aufgeklärten jedoch wußten es besser:
das sei "Die Karawane des Herren, der wegen der Löcher unterwegs sei".
MARTEL-ZITAT
"Unser Material erregte allgemeines Aufsehen. Wenn wir unglücklicherweise
an einem Sonntag in Aktion traten, rotteten sich ganze Dörfer am Einstieg
unseres Schachtes zusammen und behinderten unsere Arbeit. Wir selbst mußten
aber manchmal fast lachen über diesen wirren Haufen von Seilen,Flaschenzügen
und Winden, Leitern und Beleuchtungskörpern die wir auf kaum
erkennbaren Wegen in die Berge geschafft hatten. Ganz zu schweigen von
den Gerätschaften für Vermessung und Fotographie, den Kleidern
zum Wechseln, den Korbflaschen voll Wein und den Picknick-Körben.
Wenn wir in die dunklen Schächte hinabstiegen bekreuzigten sich die
alten Frauen und murmelten zwischen zwei Vaterunser: - Sicher kommen Sie
da hinunter, verehrte Herren, aber nie wieder hinauf! Oder sogar: es gibt
alle Arten von Irren! Und Bauern fragten uns:- Wollen Sie bei sich zu Hause
auch ein solches Loch graben, daß Sie einen Plan von diesem hier
brauchen? Und die braven Landpfarrer, bei denen wir in Ermanglung von Gasthäusern
oft abstiegen, nötigten uns ihren Segen auf."
Atmo Padirac, Schacht
Die grösste Attraktion der Causses de Gramat, einige Kilometer
südlich der Dordogne im Südwesten Frankreichs heisst
Padirac. Padirac heisst auch das Dorf einige hundert Meter weiter, doch
gemeint ist etwas anderes: ein kreisrundes Loch mitten in der Landschaft,
50 Meter Durchmesser. Senkrecht, teils überhängend fallen die
Wände ab. Der Boden weit unten, 90 Meter unter der Oberfläche,
ist im Halbdunkeln kaum zu erkennen.
1889, ein Jahr nach dem Erfolg in Bramabiau, steht Martel mit seinem
Team am Rande des Schachts, in den sich bislang noch niemand hineingewagt
hatte.
MARTEL-ZITAT
"Ich steige als erster hinab. Nach 8 Minuten bin ich am Ende der
Leiter angekommen. Ich mache mich vom Seil los und hebe den Kopf. Der Eindruck
ist fantastisch: man glaubt in einem Teleskop zu stecken, das auf ein Stück
blauen Himmels gerichtet ist. Das senkrecht einfallende Licht beleuchtet
mit seinem Widerschein, so wie ich es noch nirgendwo gesehen habe, die
Wände des Schachts
Am Rande des Lochs tauchen winzig klein die Köpfe meiner Gefährten
auf, die auf dem Bauch liegen, um mich zu beaobachten. "
"Dazwischen wie ein schwarzer Spinnenfaden das Telefonkabel, die
Verbindung mit der lebenden Welt."
Atmo Padirac -Touristen
Für die Touristen heute ist es ein unterirdischer Spaziergang,
gut organisiert, von Videokameras überwacht, immer unter der Aufsicht
allgegenwärtiger Höhlenführer.
Martel's Vorstoß endete damals bereits nach 400 Metern. Ein See
versperrt den Weg. Er verließ die Höhle, um am nächsten
Tag mit einem Faltboot die Erkundung fortzusetzen. Nach einer unruhigen
Nacht voller Alpträume steigt er am Morgen wieder hinab.
Dort, wo heute die Höhlenbesucher eingeschifft werden, beginnt
für Martel und seinen Vetter Gaupillat am 10. Juli 1889 die
Bootsreise ins Unbekannte.
MARTEL-ZITAT
"Vor unseren erstaunten Augen öffnet sich eine monumentale Avenue,
10 bis 40 Meter hoch, 5 bis 10 Meter breit. Ungeduldig dringen wir in das
neue Unbekannte vor. An jeder Biegung erwarten wir ein plötzliches
Ende des Ganges, doch der schwarze Raum setzt sich fort. So weit auch das
strahlende Licht unserer Magnesiumlampe reicht, wir können kein Ende
dieser grandiosen Galerie erkennen. Wir haben fast Angst, ohne zu wissen
arum. Kein Lärm stört die majestätische Stille. Noch kein
menschliches Wesen war vor uns in dieser Tiefe. Niemand weiß wohin
wir gehen und was wir sehen werden.
Wir sind allein, 2 Männer in einem Boot. Weit weg von jedem
Kontakt mit dem Leben. Spontan stellen wir uns gegenseitig dieselbe
Frage: Träumen wir das alles nur?"
Zahlreiche natürliche Tropfstein- Barrieren machen uns viel
Arbeit. An jeder Barriere müssen wir das Boot aus dem Wasser
heben und es ins nächste Becken hinablassen.
34 mal haben wir auf dem Hin- und Rückweg dieses gefährliche
Manöver zu wiederholen, die Kerze zwischen den Zähnen.
Bis wohin werden wir noch gelangen? Langsam wird es uns unheimlich.
Wir sind triefnaß. Der Kerzenvorrat geht zur Neige. Wir müssen
umkehren: Müdigkeit überfällt uns, und auf dem Rückweg
sind die Hindernisse vielleicht noch schwerer zu überwinden."
Atmo: Touristen
Für Martel war sofort klar, daß seine Entdeckung eine touristische
Attraktion erster Ordnung werden könnte - und so ging er zielstrebig
daran, aus Padirac ein Wirtschaftunternehmen zu machen. Er gründet
eine Aktiengesellschaft, suchte - und fand - Geldgeber, entwickelte Konzepte
für eine Erschließung der Höhle. 1899 ist es soweit - Padirac
öffnet seine Tore für zahlende Besucher. Und die kommen auch,
von Jahr zu Jahr zahlreicher. 400.000 und mehr pro Jahr sorgen bei den
Aktionären für ungebremst fliessende Dividenden. 70 Dorfbewohner
- zumeist Landwirte - finden in dem Höhlenbetrieb Arbeit und ein willkommenes
Zubrot, als Höhlenführer, Bootsmänner auf dem unterirdischen
Fluss, Fahrstuhlwärter, Kassierer, Würstchenverkäufer, Kellner.
Für Martel selbst ist Padirac die Chance, den ungeliebten Beruf
des Rechtsanwalts an den Nagel zu hängen und sich ganz seiner Höhlenpassion
zu widmen. Martel wird zum ersten hauptberuflichen Höhlenforscher
der Welt.
Von Jahr zu Jahr dehnt er nun seine Forschungsfahrten aus, organisiert
immer neue Expeditionen - auch ins Ausland. Österreich, Belgien, Griechenland.
Forschungsreise auf Forschungsreise. Die wissenschaftliche Ausbeute: Tausende
von Fotos und Zeichnungen, und eine kaum überschaubare Flut von Aufsätzen
und Vorträgen.
Die neue Wissenschaft findet rasch Freunde, und hat bald ihren einen
Namen - Speläologie. Und eine eigene Zeitschrift, Spelunca,
noch heute eine der renomiertesten Fachpublikationen der Höhlenforschung.
Sie erscheint mit weniger Unterbrechungen seit über 100 Jahren.
Immer häufiger ist Martel nun in offizieller Mission unterwegs,
von Ministerien und Behörden beauftragt, die unterirdischen Wasserreserven
zu erforschen. In Griechenland berät er die Regierung bei der
Planung von Bewässerungsprojekten. Für den russischen Landwirtschaftsminister
durchstreift er den Kaukasus.
In den Pariser Salons kommen Martels Berichte aus dem Untergrund hervorragend
an. Martel wird zum Wissenschafts-Star im Paris der Jahrhundertwende. Der
Eroberer der Tiefe, l'homme des gouffres, wird er genannt.
Ein regelrechtes Höhlenfieber erfaßt die naturwissenschaftlich
interessierte Öffentlichkeit. Und ganz selbstverständlich wird
bei der Weltausstellung 1900 in Paris auch die Speläologie gebührend
gewürdigt, mit vielbeachteten Martel-Exponaten. Martels Bücher
- allen voran "Les Cevennes" und "Les Abimes" - werden zu
Bestsellern, die in keiner gut sortierten Bibliothek fehlen dürfen.
Heute begehrte Sammlerstücke, für die in Antiquariaten Phantasiepreise
gezahlt werden.
Wohl keiner kennt die Anfänge der Höhlenforschung besser als
der britische Historiker Trevor Shaw, dem Autor von "History of Cave Science".
O-Ton SHAW
"Es gibt Leute, die führen Martels Erfolg vor allem auf seine
Technologie zurück. Nun, er hatte eine gute Technik. Aber ich persönlich
glaube nicht, daß es der Hauptgrund war. Sehen Sie - Shakespeare,
Goethe, Corneille, die haben ihre Sache gut gemacht, auch ohne Computer.
Was er ganz bewußt vorantrieb, war die internationale Ausrichtung
der Höhlenforschung. Er besuchte 20 Länder und in jedem Land
ermunterte er die Leute, sich mit Höhlen zu befassen und Vereine zu
gründen.
Er kommunizierte, ermutigte, inspirierte - die Leute,
denen er begegnete. Und in seiner französischen Speläologischen
Gesellschaft kam ein viertel der Mitglieder von außerhalbFrankreichs.
Am Ende seiner Epoche - und die war lang, denn er hatte nicht nur
Geschicklichkeit, Gelegenheiten und den nötigen Elan, er hatte auch
viele Forschungsjahre, am Ende seiner Zeit war die Höhlenforschung
eine sich rasch entwickelnde internationale Angelegenheit, was sie bis
heute geblieben ist. Vor 80 Jahren wurde diese Entwicklung angeschoben
- und deshalb kann man ihn durchaus den Vater der modernen Höhlenforschung
nennen.
Atmo Gaping Gill
Jedes Jahr im August verwandelt sich eine Weide in den Yorkshire Dales
im Norden Englands in ein Zeltlager. Hunderte von Besuchern kommen hinauf
an die Hänge des Ingleborough, um ein historisches Ereignis nachzuerleben:
die erste Erkundung des finster drohenden Schachtes von Gaping Gill.
Mit der Seilwinde geht es hinab in die Tiefe . Für 5 Pfund Sterling
in die Clubkasse des lokalen Höhlenvereins kann jeder dabeisein
- wobei - britischer Humor - die Fahrt abwärts umsonst ist, nur für
den Rückweg ans Tageslicht wird der Obulus fällig.
100 Meter tief ist dieser Schacht, in den ein Wasserfall stürzt.
Auf einem engen Sitz hockend, schwebt der mutige Besucher in flotter Fahrt
hinab - durch Wasserschleier hindurch, hinein in einen riesigen unterirdischen
Saal, den größten Hohlraum der britischen Inseln.
Der Eingangsschacht von Gaping Gill gehört zu den spektakulärsten
Höhlenerlebnissen Englands. Englische Bergsteiger versuchten bereits
in der Mitte der vergangenen Jahrhunderts, den Grund zu erreichen. Allerdings
ohne Erfolg - auf halber Strecke kapitulierte der Mutigste vor den
Wassermassen und kletterte zurück ans Tageslicht.
Als Martel 1895 Irland und England bereist, hat er bereits viel über
diesen angeblich unbezwingbaren Abgrund gelesen. Und er hat deshalb
Strickleitern und Seile im Gepäck.
MARTEL-ZITAT
"Ohne die Hilfe meines treuen Armand mußte ich selbst ganz
allein die endlosen Vorbereitungen erledigen, um die er sich sonst gekümmert
hatte und deren sorgfältige Ausführung überlebenswichtig
war.
Ich konnte bei dieser Gelegenheit die großen Vorteile des ausgeprägten
britischen Phlegmas schätzen lernen: die Zuschauer, obwohl offensichtlich
neugierig und interessiert, hielten sich stark zurück. Nichts störte
die Übermittlung meiner Anweisungen, keine ungeschickten Hilfsangebote
behinderten mich bei meinen Vorbereitungen.
Ich mußte daran denken, wie nötig wir diese Selbstbeherrschung
oft in unserem turbulenten Südfrankreich gebraucht hätten: etwa
am Mas Raynal, wo wir uns fast mit der Dorfjugend prügeln mußten,
die am Rande des Schachts, bei vollem Risiko, dort hinabzufallen, einen
Tanzboden aufmachten, mit Geige und Akkordeon, so laut, daß wir nichts
mehr am Telefon hören konnten.
Kurz gesagt, mein Publikum von Gaping Gill war sicherlich das ruhigste
und ernsthafteste das ich je getroffen habe."
Die Fahrt mit der Motorwinde bietet den Touristen Nervelkitzel genug,
richtige Höhlenforscher jedoch seilen sich ab - frei hängend
am 12- Millimeter-Seil, mit 100 Meter Luft unter sich. So, wie es Martel
damals erlebte.
MARTEL-ZITAT
"Die ersten
20 Meter gehen wunderbar einfach. Das Seil liegt leicht an der Wand an,
ich muß mich nur hinabgleiten lassen. Der Wasserfall bleibt 1 Meter
50 zu meiner Linken entfernt. Sein Schaum spritzt mich naß, aber
der Wasserstrahl behindert mich nicht.
Dann tauche ich in den Wasserfall ein das Wasser ist kalt und fließt
mir trotz meines zugeknöpften Kragens zum Hals hinein und jagt mir
Schauer über den Rücken. Ich beglückwünsche mich für
die Idee, Stiefel mit Löchern anzuziehen, durch die das Wasser abfließen
kann. Aber ich bin nicht, wie befürchtet, durch den Schock des
auf meinen Kopf fallenden Wassers benommen. Allerdings habe ich einen festen
Lederhelm auf.
In 40 Meter Tiefe werde ich abrupt angehalten: 'Hallo, hallo, was
ist los? - der Knoten zwischen zwei Seilen hat sich in einer Felsspalte
verfangen, wir brauchen 5 Minuten um ihn freizumachen - Also nein, keine
5 Minuten. Ich hänge mitten im Wasserfall und es ist nicht gerade
warm hier. Beeilt Euch
Da kann ich noch so protestieren und zetern, die Zeit verfließt
langsam, während mich die Kaskade in die Falten einer wirbelnden wogenden
Tunika wickelt.
Plötzlich, in 70 Meter Tiefe, weitet sich der Schacht, die Wände
springen in rechtem Winkel zurück, verwandeln sich in eine waagrechte
Decke, die sich in den Dunkelheit verliert. Ich komme in einer riesigen
Höhle an,deren Ende ich nicht sehen kann.
Um 1 Uhr 45 setze ich den Fuß auf den Boden. Der Abstieg hat
23 Minuten gedauert. "
Martels Entdeckung macht Schlagzeilen in der britischen Presse
- und die britischen Bergsteiger und Höhlenfreunde sind irritiert.
O-Ton Don Mellor, Craven
Potholing Club
"Es war schon ein großer Schock für sie, ausgerechnet
von einem Franzosen geschlagen worden zu sein, von dessen Vorhaben sie
zudem nichts geahnt hatten. Unmittelbar nach seinem Abstieg bereiteten
sie einen eigenen vor, und nach einem vergeblichen Versuch erreichten sie
im nächsten Jahr tatsächlich den Boden des Schachtes. Ihre Forschungen
in den Höhlen und Schächten von Yorkshire nahmen schlagartig
zu. Die Sache hatte ihnen den entscheidenden Anstoß gegeben, die
Höhlenforschung ernster zu nehmen."
Um 1890 erreicht
die Nachricht von Martels Höhlenabenteuern die Insel Mallorca. Dort
hat sich Erzherzog Ludwig Salvator, ein Cousin des österreichischen
Kaisers Franz, fern von Wien eine eigene Welt geschaffen. Das schwarze
Schaf der Habsburger lebt hier in - wie die Biographen später schreiben
- verworrenen familiären Verhältnissen und widmet sich
landeskundlichen Studien.
Dem Erzherzog ist nicht verborgen geblieben, daß große Teile
der Insel aus Kalkgestein bestehen, dem Gestein also, in dem sich auch
diese märchenhaften Höhlen in Frankreich und in Slowenien
gebildet haben. Und so lädt er Martel ein, den Untergrund Mallorcas
zu untersuchen.
Am 6. September 1896 trifft Martel in Begleitung von Louis Armand in
Mallorca ein.
MARTEL-ZITAT
"Es ist kaum mit Worten zu beschreiben, welche gute Aufnahme und
Unterstützung ich bei dem ebenso liebenswürdigen wie aufgeklärten
Erzherzog fand, der sich in Miramar ein ideales Refugium geschaffen hat.
Erzherzog Louis Salvator ist nicht nur ein Gelehrter sondern auch ein großer
Kunstfreund und Mäzen. Seine Güte und Freigiebigkeit haben ihn
zum ungekrönten König der Insel gemacht. Man braucht sich auf
Mallorca nur auf ihn zu beziehen, und schon öffnen sich alle Herzen
und Tore."
Atmo Porto Christo
Martels erstes Ziel ist Porto Christo, ein kleiner Hafen an der Ostküste
der Insel. Der Verwalter des Erzherzogs begleitet Martel und Armand. Jeder
Wunsch wird ihnen von den Augen abgelesen. Für den Dorfschmied Armand
eine ungewohnte Erfahrung. Fast geniert er sich, plötzlich bedient
und mit allem Luxus bedacht zu werden.An der Küste sind mehrere Höhlen
bekannt, jedoch von den Einheimischen nicht näher erforscht worden.
Atmo Cueva del Drach
Am Morgen des 10.September 1896 fahren Martel und Armand in der Cueva
del Drach mit ihrem Faltboot in einen See hinein, der sich scheinbar endlos
in die Finsternis ausbreitet.
MARTEL-ZITAT
"Tausende
- wenn nicht Millionen - von feinen Stalaktiten hängen wie lange Tränen
aus Diamanten eng gedrängt.herab. Dicht über dem Wasser
hängend spiegeln sie sich perfekt und soscheint das Boot zwischen
zwei mit Rauhreifnadeln überzogenen Wäldern zu schweben.
Manche der Säulen erinnern an unterirdische indische Tempel,
an Rüssel und Elefantenohren. Andere wieder ähneln ägyptischen
Kapitellen und Pyramiden aus ineinander verschlungenen Lotosblüten.
Lautlos fahren wir zwischen diesen Inseln und Baldachinen dahin, voller
Sorge, eine dieser zarten Spitzen bei dem leisesten Stoß unserer
Paddel abzubrechen. Verzückt und verzaubert wie wir waren hätte
uns auch die Erscheinung einer Wassernymphe in einem Gewand aus Meerschaum
sicher nicht mehr überrascht. "
"Vor uns liegt ein neues Wunder. Ein wahrer Urwald aus Kalzit, dessen
Zweige bis zur Decke der Höhle reichen. Unmöglich, sie zu zählen.
Sie stehen weniger als einen Meter auseinander; alle Formen sind vertreten
in diesem üppigen Labyrinth:Kerzen und Orgelpfeifen, Vorhänge
und Fahnen, Seeigel und Korallen. Um uns in diesem Gedränge einen
Weg zu bahnensind wir zu unserem großen Kummer gezwungen, einige
zu zerbrechen.
Überall, vor und hinter uns, soweit der Lichtschein des Magnesiums
reicht, Marmor-Kaskaden, Orgelpfeifen, Vorhänge aus feinster Spitze
und Kristall-Lüster. Und all diese Pracht nur aus einem Stoff, aus
Kalziumkarbonat. Und ziseliert von einem Künstler, dem Wassertropfen!
Ein Anblick, den ich nie vergessen werde."
Touristen-Atmo
Für mehrere hunderttausend Touristen jährlich gehört
Martels Entdeckung inzwischen zum Pflichtprogramm des organisierten Urlaubs.
Ein Ausflugsziel, wie es Reiseveranstalter nicht besser finden können,
interessant für alt und jung - und das bei jedem Wetter.
Martels Idee, die Naturwunder unter der Erde für ein breites Publikum
zu erschliessen, wohl nirgendwo auf der Welt wurde sie konsequenter in
die Praxis umgesetzt, als hier.
Doch praktische Konsequenzen hatten Martels Forschungen nicht nur für
den Tourismus.
1905 in Besançon. Zum wiederholten Mal bricht in der Bevölkerung
eine Typhusepidemie aus. Über 100 Tote sind zu beklagen.
Und wieder beginnt, wie bei den Seuchen zuvor, ein heftiger Expertenstreit.
Für Emile Fournier, ein Hochschul-Lehrer, der unter Martels Einfluß
damit begonnen hat, die Geologie und die Höhlen im Jura zu untersuchen,
ist die Ursache klar: Für ihn hat die Krankheit ihren Ursprung in
der Source de l'Acier, einer großen Karst-Quelle, die von den Stadtwerken
für die Wasserversorgung von Besançon angezapft wurde.
Die Fachleute der Kommune halten dagegen - die Quelle sei in Ordnung.
Unter der Erde werde alles Wasser bestens gefiltert - und ein paar Kolibakterien,
falls es sie wirklich geben solle, bedeuteten mit Sicherheit keine
Gefahr für die Bevölkerung.
Eine Argumentation ganz auf der Linie der Finanzverwalter - jedes Zugeständnis
an Fournier hätte riesige Investitionen zur Folge.
Doch Fournier gibt nicht auf - unter Hinweis auf Martels Forschungen
kann er nachweisen, daß in der scheinbar so sauberen Quelle die Abwässer
von mehreren tausend Menschen und die Jauche unzähliger Ställe
zutage tritt. Nur einen guten Kilometer entfernt vrschwindet nämlich
ein Bach im Untergrund. Fournier schüttet Farbstoffe in das trübe
Gewässer - und stellt fest, daß es eine direkte Verbindung mit
der Source de l'Acier gibt. Von einer natürlichen Filterung im Untergrund
kann keine Rede sein.
Martel-Zitat
"Eine der wichtigsten Konsequenzen unserer Arbeit ist die Feststellung,
daß der unterirdische Lauf des Wassers Auswirkungen hat auf die Hygiene
und das öffentliche Gesundheitswesen.
Ich spreche von der allzu häufigen Verschmutzung von angeblichen
Quellen und Brunnen, und von Epidemien und Krankheiten, die daraus entstehen.
Das sind neue Erkenntnisse, von denen um 1890 noch niemand etwas geahnt
hat."
Martels Forschungen führen 1900 zu einer Gesetzesinitiative im
französischen Parlament. Das Loi Martel verbietet seither, Schächte
und Höhlen als Mülldeponien zu mißbrauchen. Es ist bis
heute in Kraft.
September 1897. In Le Rozier, einem kleinen Ort am Ausgang der
Gorges du Tarn geht Martel's jährliche Forschungskampagne zu Ende.
Die Ergebnisse sind bescheiden. Keine sensationellen Entdeckungen, nur
unbedeutende Löcher, die in Schlamm und Lehm enden. Im Hotel des Voyageurs
bereitet Martel die Abreise vor.
Doch Armand will noch einmal hinauf auf die Causses. Er habe da einen
Schacht gesehen, der sehe interessant aus, das wolle er noch hinab.
Martel ist nicht begeistert. Die Gegend verspricht keine großen
Entdeckungen. Doch Armand bleibt hartnäckig, und so willigt Martel
schliesslich ein.
Am 19.September 1897 fahren sie hinauf auf die Causses Méjan.
Gegen Mittag stehen sie mit ihrem Material am Rande des Schachts, die Leitern
werden hinabgelassen und Armand beginnt den Abstieg.
Und was er dann
über Telefon berichtet, löst an der Oberfläche erst Staunen
und dann Jubel aus. Vor ihm liegt ein riesiger Saal, in dem dicht gedrängt
ein ganzer Wald von Tropfsteinen steht. Hunderte von bis zu 30 Meter
hohen schlanken Gebilden. Viele gleichen überdimensionalen
Baumkuchen, andere riesigen Palmstämmen.
Eines der großen Naturwunder Frankreichs - wenn nicht der Welt
-st entdeckt - der Aven Armand.
Die Entdeckung hat - das ist Martel klar - auch eine wirtschaftliche
Bedeutung. Sein Freund Armand soll davon profitieren. Und so sorgt Martel
dafür, daß Armand die Nutzungsrechte an der Höhle erhält.
An regelmäßige Führungen für Touristen ist jedoch
noch nicht ernsthaft zu denken.
Der 80 Meter tiefe Eingangsschacht ist ein zu großes Hindernis.
Und daran soll sich fast 30 Jahre lang nichts ändern.
Eigentlich gab es bis in die 20er Jahre nur einen einzigen zahlenden
Besucher - so erinnert sich Albert Curvelier, einer der letzten
noch lebenden Zeitzeugen.
O-Ton Curvelier
"Da gab es einen Herrn aus Montlucon, der kam jedes Jahr. Damals
wurde die Höhle noch mit Strickleitern besucht. Papa stellte die Wagen
zur Verfügung, für die Strickleitern und die Helfer, 5
oder 6 Leute. Und Frau Armand sorgte für das Picknick. Ich glaube
es gab jedesmal Lammkeule. Und der Herr zahlte 100 Francs, alles inklusive,
das war damals sehr viel Geld."
Erst 1927, 30 Jahre nach der Entdeckung, ist es soweit: der Aven
wird offiziell für das Publikum geöffnet mit einem künstlicher
Eingangs-Stollen und elektrischer Beleuchtung. Zu spät für
seinen Entdecker Louis Armand - er ist wenige Jahre zuvor gestorben.
Martel bleibt den Causses treu - noch in hohem Alter steigt er
ein letztes Mal hinab in die Höhle.
O-Ton Curvelier
"Er rief die Höhlenführer zusammen und ließ sich
eine Karbidlampe geben. Er sagte, ich will meine Kinder besuchen - wenn
ich unten bin, schaltet ihr den Strom aus. Und dann spazierte er unten
im Dunkeln herum mit seiner Karbidlampe - und war glücklich."
Nach der Eröffnung
der Schauhöhle Aven Armand hat Martel das für einen Menschen
seltene Vergnügen, bei der Einweihung des eigenen Denkmals dabei zu
sein. Eine dankbare Geste der Region für einen Mann, der durch seine
Entdeckungen und Veröffentlichungen den Tourismus und damit auch die
Wirtschaft kräftig gefördert hatte.
Auch Martels Gefährte Louis Armand erhält auf dem Monument
seinen Platz.
Das Denkmal steht in Le Rozier noch heute - kaum beachtet.
Und auch Martel's Ruhm versank rasch in den Archiven. Doch seine Begeisterung
für die Höhlen blieb bei nachfolgenden Generationen von
Höhlenforschern lebendig.
MARTEL-ZITAT
"Man muß solche bewegenden, erregenden Forschungen unter der
Erde miterlebt haben, um sich vorstellen zu können, wie anziehend
sie sind. Um eine Vorstellung zu bekommen von diesem Entdeckungs-Fieber
und der Sehnsucht nach dem Unbekannten. Das sind lebhafte, einzigartige
Eindrücke, die einen niemals loslassen."
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