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Die Eroberung der Finsternis  
Teil 8: Höhlentaucher leben gefährlich 

Irgendwann ist in jeder Höhle der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weiter geht. Etwa, weil das Gang bis zur Decke voll Wasser steht und  ein sogenannter "Siphon"  den Weg versperrt. 

Umkehren ist eine Möglichkeit - wobei allerdings die entscheidende Frage offen bleibt, ob es hinter dem Siphon nicht vielleicht weitergeht.  In den Frühzeiten der Höhlenforschung gab es nervenstarke Forschernaturen, die sich in solchen Fällen nach tiefen Einatmen wagemutig in die Fluten stürzten, in der Hoffnung, rechtzeitig eine Stelle zum Auftauchen zu erreichen.  Erstaunlicherweise gab es bei diesem russischen Unterwasser-Roulette keine Verlierer. Alle kamen lebend wieder zurück. 

Die Methode wurde im Laufe der Jahre deutlich verbessert. Heute bedienen sich Höhlentaucher einer ausgeklügelten Ausrüstung, mit mehrfach ausgelegten Sicherheitssystemen.  Ein ganz neues Feld der Höhlenforschung hat sich damit aufgetan, die Erkundung der Unterwasserhöhlen. 

Schon in den 60er Jahren begann der deutsche Taucher Jochen Hasenmayer mit der Erkundung des "Blautopf" in der schwäbischen Alb. Der romantische dunkelblaue Quellsee bekommt sein Wasser aus einer horizontalen Unterwasserhöhle in etwas 30 Meter Tiefe.  Mit einer selbst entwickelten Spezial-Ausrüstung tauchte Hasenmayer in den Berg hinein, tiefer und tiefer, bis er 1985 über 1000 Meter vom Quelltopf entfernt in einer grossen Halle auftauchen konnte. Mit 2 Filmkameras hielt er seinen historischen Tauchgang fest.    Seither hat  der "Mörikedom" - wie er seine Entdeckung  nannte  -  keinen menschlichen Besuch mehr erlebt. 

Ein Tauchunfall schien 1989 Jochen Hasenmayers  Taucherkarriere zu beenden.  Fehlerhafte Tiefenmesser verleiteten ihn dazu, zu schnell aufzutauchen - was fatale Folgen hatte. 

Das grundsätzliche Problem beim Gerätetauchen ist, daß der Stickstoff in der Atemluft wegen des höheren Drucks in grösseren Wassertiefen im Blut gelöst wird. Bei schnellem Auftauchen bildet  das Gas  Bläschen im Körper des Tauchers - wie Kohlensäure in einer gerade geöffneten Sprudelwasserflasche. Diese Bläschen können Adern blockieren, Nerven zerstören  und zu Lähmungen führen. Jeder Taucher muss also, abhängig von der Dauer und Tiefe des Tauchgangs, langsam an die Oberfläche zurückkehren,  damit der Stickstoff den Körper wieder über die Lunge verlassen kann. Dekompression wird dieser Vorgang genannt. 

Bei Jochen Hasenmayer kam es bei einem Tauchgang im Wolfgangssee zum gefürchteten Dekompressionsunfall. Seither ist er querschnittsgelähmt. Was ihn nicht davon abhält, weiter in Höhlen  zu tauchen.    Im Blautopf hat er mit einem selbstkonstruierten Mini-U-Boot seine Forschungen wieder aufgenommen, um herauszufinden, wann und wie die Höhlen der Schwäbischen Alb entstanden sind. 

Höhlentauchen gehört mit Sicherheit zu den gefährlichsten Sportarten überhaupt. Kaum eine Ausgabe der einschlägigen Fachzeitschriften ohne Nachruf auf einen verdienten Kollegen, der in einem Siphon irgendwo auf der Welt sein Leben liess. 

Für normal oberirdisch im Trockenen lebende Menschen ist kaum nachzuvollziehen, was eine wachsende Zahl von Hartgesottenen veranlasst, sich diesem Hobby zuzuwenden.  Adrenalin-Junkies seien sie nicht, versichern die Höhlentaucher, die in der Tat im täglichen Leben zumeist ruhige, in sich gekehrte Menschen sind. Der amerikanische Höhlentaucher Bill Stone versuchte, seine Passion so zu erklären: 

"Man kann nicht leugnen, daß die Tatsache, daß man Mitglied einer noch äusserst kleinen Gemeinschaft von dynamischen Individualisten ist, einem Selbstvertrauen verleiht. Und es gibt  eine weitere Belohnung,  die man jenen, die noch nicht da waren, nur schwer erklären kann: es ist das Gefühl, ein Territorium erforscht zu haben, das vorher noch kein Mensch gesehen hat. Und es ist noch mehr: die Fähigkeit, durch einen scheinbar endlosen luftleeren Raum fliegen zu können, der in schwarze unbekannte Tiefen hinabsteigt, erinnert fast an die Raumfahrt.  

In vieler Hinsicht ist das Höhlentauchen sogar noch besser. Nur 12 Raumfahrer haben wirklich etwas Neues entdeckt,  nämlich jene, die auf dem Mond gelandet sind. Aber ein ernsthafter Höhlentaucher kann unbekannte unterirdische Regionen an jedem Wochenende erforschen."  

Ins Unbekannte vorzustossen - das heisst für manche Höhlentaucher auch, die Grenzen der menschlichen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit  auszuloten. So haben zähe und beharrliche amerikanische Höhlentaucher in Mexiko im Laufe mehrerer Jahre ein 50 Kilometer langes Unterwasserlabyrinth erforscht, in dem es keine einzige Auftauchmöglichkeit gibt. 
 

Eines der großen geologischen Mysterien Südfrankreichs ist die Fontaine de Vaucluse am Fuss des Mont Ventoux. In einem Höhlenportal kommt in einem geheimnisvollen dunklen Wasserbecken ein Fluss ans Tageslicht, aus einem Schacht mit rund  20 Metern Durchmesser.  Vor 600 Jahren verleitete der Ort den Dichter Petrarka zu schwärmerischen Sonnetten. Heutzutage besuchen tausende von Touristen  jedes Jahr die Fontaine, zur Freude der zahllosen Souvenirverkäufer. 

Die Frage, woher denn der in der Quelle aufsteigende Fluss stammt und wie tief wohl dieser Quelltopf sein könnte, beschäftigte Generationen von Höhlenforschern. Schon im letzten Jahrhundert wurde ein erster Tauchversuch unternommen. Ein Hafentaucher aus Marseille wurde 23 Meter tief in den Schacht hinabgelassen, sah wenig und wurde wieder hinaufgezogen.  In den 50er Jahren stieg der damals noch wenig bekannte Tauchpionier Jacques Cousteau in den Quelltopf. In 77 Meter Tiefe war auch für ihn die Reise zu Ende. Der Schacht gehe senkrecht weiter hinab, berichtete er - doch wie tief wohl? 

Anfang der 80er Jahre lieferten sich der franzöische Höhlentaucher Claude Touloumidjan und sein deutscher Konkurrent Jochen Hasenmayer einen regelrechten Wettkampf um den tiefesten Höhlentauchgang, der je unternommen wurde. Der Deutsche kam zunächst auf 143 Meter Tiefe, wurde wenig später um 10 Meter überboten,  und konterte 1983 mit einem Tiefenrekord von sage und schreibe 205 Metern - damals die größte Wassertiefe, die ein Sporttaucher jemals erreicht hatte. 

45 Minuten dauerte Hasenmayers Weg in die Tiefe.  Für den Wiederaufstieg musste er sich - wegen der Dekompressionsstopps - mehr als 8 Stunden Zeit nehmen.  Wobei er - ja nach Wassertiefe - aus verschiedenen Flaschen unterschiedliche Luftgemische einatmete. Denn in so extremen Tiefen wirkt normale Pressluft giftig. 

Der Grund der Fontaine de Vaucluse war noch immer nicht erreicht. Erst 1985 setzte ein ferngelenktes Mini-U-Boot in 315 Metern Tiefe auf dem Sandboden auf.  Woher das Wasser kommt, ist bis heute unklar. 

Jochen Hasenmayers Tauchrekord hielt nicht lang. Bereits 5 Jahre später, 1988,  tauchte der Amerikaner Check Exley in der mexikanischen Quelle Nacimiento del Rio Mante 242 Meter tief. Aber er wollte noch tiefer. 

Im Sommer 1994 erfuhren die Leser der Fachzeitschrift International Caver: 

"Bei dem Versuch, einen neuen Weltrekord im Tieftauchen über 305 Meter aufzustellen ist der bekannte amerikanische Taucher Check Exley ims Leben gekommen. Genaue Einzelheiten sind noch nicht bekannt, aber es wird berichtet, daß er an seine Tauchleine gebunden an einem Dekompressionsstopp gefunden wurde. Er war bereits tot. Excley war ein sehr erfahrener und fähiger Höhlentaucher. Sein Tod unterstreicht einmal mehr die allgegenwärtigen Gefahren des Betauchens sehr tiefer Siphons. Für die Internationale Höhlenforschung ist dies ein großer Verlust. Unser Mitgefühlt gilt seiner Familie. "